Rotmilan: Twisted Peek

Oberlungwitz

Rotmilan, Twisted Peek, 2025; Courtesy: Rotmilan, Foto: Ernesto Uhlmann

Die Skulptur „Twisted Peek“ (dt. „gedrehter Späher“) der Gruppe Rotmilan (Dominik Mendel, geb. 1986 in Freising und Toni Bettermann, geb. 1988 in Lichtenstein/Sa.) scheint sich in ihrer klaren Formensprache aus dem Baukasten des Konstruktivismus zu bedienen.

Wie die „Türme“ der PURPLE PATH-Künstler Frank Maibier in Lichtenau oder Olaf Holzapfel auf der Dittersdorfer Höhe verlässt die Skulptur die Stadt, zeigt sich „in der Landschaft“ und assoziiert so Kunstwerke der amerikanischen Land Art ebenso wie sie an die Plein Airs z.B. der in Karl-Marx-Stadt arbeitenden Gruppe Clara Mosch (1977 bis 1982) erinnert. Unter freiem Himmel entstanden zeichenartige Gebilde in Bäumen oder aus gesammeltem Holz, die, temporär installiert, auf weitergehende Zusammenhänge wie z.B. der auch in der DDR grassierenden Umweltverschmutzung hinwiesen. Die begehbare, aus hellem Douglasien-Holz erbaute und mit einem Blechdach versehende Skulptur lässt vom Wachturm bis zum Hochstand eines Jägers vielfältige Assoziationen zu. Der mit einer Treppe verbundene, in vier Meter Höhe entstandene Raum wird zur Bildergalerie. Drei schmale, horizontal angebrachte, aus Siebdruckplatten gefertigte fensterartige Schaukästen geben Bild-Ausschnitte der umgebenden Landschaft frei.

Der Blick richtet sich nach Oberlungwitz und weiter in Richtung Sachsenring, der traditionsreichen Motorrad-Rennstrecke zwischen der „Strumpfstadt“ und Hohenstein-Ernstthal. Gab es hier schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts kleine Rennen, etablierte sich im Jahr 1927 der Sachsenring. Schon dass erste Rennen lockte 140.000 Besucher:innen. Anfang der 1940er Jahre tauchten erste Hochsitze an der Strecke auf, die in den 1950ern zur Mode und zum Massenphänomen wurden. Rennsportfans brachten selbst gebaute und oft abenteuerlich aussehende Konstruktionen mit: Hocker, Stühle, oft auch nur Holzbretter wurden an hohen Rohr- oder Holzgestellen befestigt und schafften so den Rennsportfreunden Überblick. In den 1960er Jahren gelangten die oft kunstvoll konstruierten Sitzmöbel zur Blüte; nach einigen, leider auch schweren Unfällen wurden sie Anfang der 1970er verboten.  

(Text: Alexander Ochs / Ulrike Pennewitz)

Gruppe Rotmilan
Twisted Peek

In Oberlungwitz, Hirschgrund Oberlungwitz, Höhe „Schöne Aussicht“

Material: Holz 

Aufgestellt mit Unterstützung der Stadt Oberlungwitz.

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Adresse: 

Hirschgrund Oberlungwitz
Höhe „Schöne Aussicht“
09353 Oberlungwitz

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Oberlungwitz – Vom klösterlichen Ursprung zur Industriestadt am Sachsenring 

Oberlungwitz, eine Stadt im Westen Sachsens, blickt auf eine vielschichtige Geschichte zurück, in der sich klösterliche Anfänge, handwerklicher Fleiß, industrielle Blüte und moderne Transformation miteinander verbinden. Eingebettet in die sanft hügelige Landschaft des Erzgebirgsvorlandes ist Oberlungwitz heute vor allem durch den Sachsenring bekannt, auf dem jährlich im Juli über 250.000 Fans aus aller Welt zum Motorrad Grand Prix zu Gast sind. Doch die Wurzeln der Nachbarstadt von Hohenstein-Ernstthal reichen weit ins Mittelalter zurück. 

Klösterliche Anfänge im Hochmittelalter 

 Die erste urkundliche Erwähnung von Oberlungwitz datiert auf das Jahr 1273. Sie steht im Zusammenhang mit der Gründung einer Außenstelle des Zisterzienserklosters Grünhain, das zu den bedeutenden geistlichen und wirtschaftlichen Zentren des Erzgebirges zählte. Die Mönche prägten die frühe Entwicklung des Ortes maßgeblich: Rodung, Landwirtschaft und Siedlungsstruktur folgten klösterlichen Organisationsformen. Das geistliche Leben konzentrierte sich auf die Abteikirche, die über Jahrhunderte hinweg religiöser und sozialer Mittelpunkt des Ortes war. Bis heute existiert ein Nachfolgebau der Abteikirche aus der Mitte des 18.Jhs., die St. Martin Kirche. 

Leinenweberei als Grundlage der frühneuzeitlichen Wirtschaft 

 Im 16.Jh. entwickelte sich Oberlungwitz zu einem Zentrum der Leinenweberei. Heimarbeit bestimmte über Generationen hinweg den Alltag vieler Familien. Flachsverarbeitung, Spinnen und Weben sorgten für ein bescheidenes, aber stetiges Einkommen und banden den Ort über die Straße zwischen den Wirtschaftszentren Chemnitz und Zwickau in überregionale Handelsbeziehungen ein. Mit der Leinenweberei war der Grundstein für jene textile Kompetenz gelegt, die Oberlungwitz später zu industrieller Bedeutung führen sollte. Ein wichtiges Datum dieser Entwicklung ist 1731: In diesem Jahr investierte Johann Emanuel Samuel Uhlig in den ersten Strumpfwirkerstuhl der Region. 

Aufstieg der Strumpfindustrie im 19. Jahrhundert:

Ab den 1880er Jahren begann der tiefgreifende Wandel von der handwerklichen zur industriellen Textilproduktion. Aus der prosperierenden Strumpfwirkerinnung etablierte sich die Strumpfindustrie. Sie ließ Oberlungwitz rasch zu einem der wichtigsten Standorte dieses Gewerbes in Deutschland wachsen. Mechanische Wirkstühle ersetzten zunehmend die Heimarbeit, fünf große Fabriken entstanden in wenigen Jahren zwischen 1886 und 1890 und prägten das Ortsbild. 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt mit der Strumpfwirkerei Robert Götze (gegründet 1886), die in den 1930er Jahren als größte Strumpffabrik Deutschlands galt. Bis zu 2.800 Mitarbeitende standen hier in Lohn und Brot. Oberlungwitz war eine Zuzugsregion, wuchs auf 10.000 Einwohner und erhielt 1936 das Stadtrecht. Auch wenn die goldenen Zeiten der Textilindustrie seit dem Strukturwandel im Zuge der Deutschen Einheit 1990 längst Geschichte sind, erwacht die alte Strumpffabrik Robert Götze gerade wieder zu neuem Leben. 

Tipp: Textil- und Rennsportmuseum Hohenstein-Ernstthal 

Zur Geschichte der westsächsischen Strumpfwirkerei gibt es einen interessanten Ausstellungsbereich im Textil- und Rennsportmuseum Hohenstein-Ernstthal, der Nachbarstadt von Oberlungwitz. Hier sind nicht nur die historischen Strumpfprodukte zu sehen, sondern funktionierende Maschinen vermitteln einen Eindruck von der damaligen Arbeitswelt. 

Fenster zur Welt: Der Sachsenring und die Fankultur des Motorsports 

Ein weiteres prägendes Kapitel der Stadtgeschichte von Oberlungwitz schlug man 1927 mit dem Beginn des Motorsports auf. Das „1. Badberg-Vierecksrennen“ für Motorräder, so der damalige Name, fand am 27.5.1927 mit 140.000 Zuschauerinnen und Zuschauer statt. Die Strecke war ein Stadt- und Landstraßenkurs in und um Hohenstein-Ernstthal und Oberlungwitz. 

Eine technikbegeisterte Fankultur etablierte sich in Weimarer Republik und NS-Zeit. Internationaler Höhepunkt war – wenn auch unter NS-ideologischen Vorzeichen - der „Große Preis von Europa“ (1936, 1938). Ab 1937 hieß die Strecke dann Sachsenring. Während und nach dem 2.Weltkrieg ruhte der Rennbetrieb. 

In der DDR war der Motorrad Grand Prix eines der größten internationalen Sportereignisse. Das Rennen 1950 mit 480.000 Fans und die WM-Rennen von 1961 bis 1972 waren Zuschauermagnete. Der Sachsenring war seit Mauerbau 1961 für DDR-Bürgerinnen und -Bürger eines der wenigen offenen Fenster zur Welt. Ab 1973 verbot die DDR-Regierung die Teilnahme von Fahrern aus westlichen Ländern.  

Nach der Deutschen Einheit 1990 wurden die Rennen mit weltweiter Resonanz neu gestartet. Die internationale Fankultur am Sachsenring hatte die Spaltung Europas überlebt. Für die Rückkehr des Motorrad Grand Prix demonstrierten tausende Fans aus der Region friedlich. Ein starkes Signal an die Welt: Der Sachsenring steht allen wieder offen. Seit 1998 gastiert der Motorrad Grand Prix ununterbrochen. Tausende Fans jährlich machen ihn zu einer der populärsten Rennstrecken der Welt (2025 Rekord: 256.441). 

Tipp: Sehenswert ist die Ausstellung „Legenden am Sachsenring“ im Textil- und Rennsportmuseum Hohenstein-Ernstthal

Ein multikulturelles Großevent 

Seit Jahrzehnten pilgern Fans aus aller Welt jedes Jahr im Juli nach Sachsen. Viele bringen ihre Kinder mit, um die einzigartige Fankultur am Sachsenring zu erleben. Diese familiäre Tradition zeigt, dass der Motorrad Grand Prix nicht nur als sportliches Event wahrgenommen wird, sondern über Generationen hinweg auch als offen, integrativ und demokratisch orientiertes Kulturfest. 

Zahlreiche Initiativen engagieren sich, um Geschichte und Festtradition zu bewahren: historische Motorradausstellungen, Oldtimer-Paraden, Zeitzeugeninterviews und bergmännische Musikkorps aus dem Erzgebirge bei der Eröffnungszeremonie. Hier ertönen deutsche Nationalhymne und Steigerlied, die berühmte Hymne der Montanregion Erzgebirge, zu deren landschaftlichen Füßen Oberlungwitz und Hohenstein-Ernstthal liegen.

Der Motorrad Grand Prix hat sich über fast 100 Jahre zu einem interkulturellen Festival entwickelt, bei dem Fans aller Altersgruppen, Nationalitäten, Geschlechter und Religionen gemeinsam feiern und fachsimpeln, Freundschaften pflegen und ihre Motorsport-Idole anfeuern. Die Fankultur am Sachsenring macht den Motorrad Grand Prix zu Deutschlands größtem Einzelsportevent. 

Zukunft machen: Eine typische Mentalität in Westsachsen 

Innovationen und Traditionsbewusstsein, Offenheit und Zuwanderung sicherten seit jeher das Überleben in Westsachen. All das zeugt von vielen Transformationsprozessen, die weit in die Geschichte zurückreichen und teils bis heute andauern. Die Region war immer in Bewegung. Menschen kamen und gingen mit dem wirtschaftlichen Auf und Ab, erfanden sich kulturell neu und entwickelten Handwerk und Technik weiter. So ist es bis heute. 

Von der Strumpffabrik zum kreativen Raum:  ROGO 100 für Startups, Kreative und urbane Macher 

Das monumentale Backsteingebäude der ehemaligen Strumpffabrik Robert Götze ist bis heute ein markantes Zeugnis der Industrialisierung Westsachsens im späten 19. und frühen 20. Jh. Derzeit wird es durch die Property-Pool Spreewald GmbH aus Cottbus, eine Tochter der Schweizer Volare Group, zu einem modernen Standort für Lofts, Wohnungen und Gewerbeeinheiten wie Büros, Praxen und Gastronomie umgebaut. Die Investoren wollen, dass die Industrieikone als ROGO100 zum neuen Impulsgeber für die Stadtentwicklung wird. Der Geist von Arbeit, Tradition und Innovation soll, so steht es auf der Projektwebsite, auch in der aktuellen Transformation zum Ausdruck kommen. 

Fankultur am Sachsenring soll Immaterielles Kulturerbe werden 

Die Sachsenring Event GmbH als Ausrichter des MotoGP und der Tourismusverband Chemnitz Zwickau Region e.V. als regionaler Multiplikator initiierten 2025 einen Antrag auf Eintragung der „Fankultur am Sachenring“ als Immaterielles Kulturerbe. 

Beide Organisationen führen ein breites Bündnis regionaler Akteur:innen zusammen, welche sich das Ziel gesetzt haben, die generationenübergreifende, internationale und friedliche Fankultur am Sachsenring als wertvolles kulturelles Erbe zu bewahren. Seit Gründung der Rennstrecke 1927 überdauert die Fankultur politische Umbrüche, prägt Identität und Lebensgefühl der Region. 

Der Antrag auf Eintragung in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes wurde Ende Oktober 2025 offiziell beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus eingereicht. 

Kulturhauptstadt Europas Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Freistaat Sachsen Kulturhauptstadt Europas

Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes und durch Bundesmittel des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie durch Mittel der Stadt Chemnitz.